Innerhalb der soziologischen Lehre unterscheidet die Fachwelt zwischen der sogenannten Gruppe oder sogar Kleinstgruppe und dem quantitativ kleinsten „Gebilde“: das ist der isolierte einzelne Mensch. Der von der Sucht Betroffene, aber auch jede helfende Person, sollte die Wirkung der Gesellschaft auf den isolierten Einzelnen kennen und einordnen können. Kenntnis der Umstände ist für den Alkoholiker und eine erreichte Abstinenz unerlässlich, um diese aufrecht zu erhalten. Isolation und Abkapselung bewirken ganz besondere Umstände in der bekannten Umgebung, aber auch im gesellschaftlichen Leben und dortiger Teilhabe.

 

Der Begriff von Einsamkeit hat eine sehr lange Tradition. Einsame Menschen sind immer auch Außenseiter in der Gesellschaft.  In der Mystik war vordergründig die Abgeschiedenheit des Seelenlebens über den Begriff angesprochen, es ging um die Abgeschiedenheit des Menschen von seiner Umwelt und dadurch auch von der Seele. Zeitepochen seither legten verschiedene Schwerpunkte auf die Stellung des Einsamen. Viele Roman- und Dramengestalten erscheinen als Einsame. Einsamkeit wurde beliebt als Hintergrund von Lyrik. Im Verlauf des 19. Jhdt. wurde die Einsamkeit als Möglichkeit des Selbstseins und des „Werdens“ entdeckt, dadurch als Chance. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts und mit zunehmender Bedeutung der Psyche rückte die soziale Isolierung zunehmend in den Vordergrund und damit das Leidvolle. Einsamkeit wird in Beziehung gesetzt zu anderen Existenzformen. Einsamkeit steht in einer Verlustbeziehung und sorgt für Entfremdung. Von erheblicher Bedeutung ist die Stellung zur Gemeinschaft, innere Werte gehen verloren, der Zweifel besiegt den Glauben und andere innere Werte.

 

Alkoholiker und andere Drogenabhängige sind krank gewordene Konsumenten. Sie reagieren hiernach allergisch auf verschiedene Substanzen je nach persönlicher Geschichte und Individualität. Insbesondere ist der Alkohol eine Kulturdroge mit eigenständiger Anthropologie. Konsum an sich und auch Trinkgewohnheiten  sind kulturelle Errungenschaften der Zivilisation. Hinter sichtbaren Aspekten der jeweiligen Kultur – Handlungen, Ereignissen, Verhalten – verbergen sich auch Gemütsbewegungen, die vom Einzelnen in der Gesellschaft und Gemeinschaft erlernt werden müssen. Die kulturellen Aspekte von Konsumgewohnheiten beinhalten einen Regelkodex, das ist der Lerninhalt, auf den es ankommt, wenn man nicht auffallen will. Ein Problem für diejenigen, die zur Sucht oder Abhängigkeit neigen. Das kulturelle Trinkmuster ist nicht im Bewusstsein des Süchtigen eingebettet, er lässt eben ein Problemverhalten eigentlich schon recht früh erkennen. Für Suchtkranke ist die wahrgenommene Einsamkeit interessant. Diese wird damit zu einer Kognition und erweitert zu einer sozialen Kognition. Der Begriffsinhalt „Kognition“ ist sehr allgemein, es geht dabei um Formen von Wissen und Erkennen. Es geht um Wahrnehmen, Erkennen von Mustern und Gestalten, um Aufmerksamkeit und Erinnern, Handeln und Vorstellen und natürlich ums Denken. Für uns von besonderer Bedeutung  ist die Kognition im Vorgang von Problemlösen.

 

Die konzeptionelle Idee des hier Geschriebenen ist a)  die Suche nach einer brauchbaren Architektur des Konstrukts Einsamkeit, weil hierin, zumindest ein Stück, sinnvolle Spurensuche nach Erklärungsmustern für Sucht und Abhängigkeit stecken kann. Was ist der gemeinsame Nenner mit dem Normalkonsumenten, damit dieser die Abweichung verstehen lernt und akzeptieren kann? Aktuell und damit b) ist die Freigabe von sogenannten leichten Drogen relevant für eine politische Entscheidung. Das Konzept der Bundesregierung scheint vollständig zu sein. Wie aber ist eine solche Entscheidung einzuordnen in die tägliche mediale Verkündung von Respekt und Solidarität. Drogenkonsum an sich und damit erst recht Gewohnheiten, Suchtverhalten und Anhängigkeiten stellen im Konsumenten den Selbstbezug in den Vordergrund, Eigeninteresse rückt in den Focus und führt zu mehr Eigennutz. Motivationen und Denkleistungen drehen sich zunehmend um die eigene Person. Gemeinschaftsgefühl und Gemeinschaftssinn gehen verloren, das „ganze Bild“ wird verzerrt. Drogenkonsum belastet Verantwortungsgefühl und das gemeinsame Wir.