Nägel mit Köpfen ...

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Langzeittherapeutische Maßnahmen machen in der Regel auch einen Ablösungsprozess notwendig. Am Beispiel einer Psychotherapie bei Alkoholismuserkrankung soll die Problematik dargestellt werden.

 

Für die meisten Alkoholiker ist auch heute noch ein klinischer Aufenthalt langfristiger Art eine Notwendigkeit. Kommt es dazu, wird der Patient aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen. Steht er in einem Arbeitsverhältnis, so ruht dies für die Dauer der Krankschreibung. Das soziale System sichert die Versorgung der Familie, falls vorhanden.

 

Über den Begriff „Ablösung“ assoziiert man eigentlich den normalen Entwicklungsprozess von Jugendlichen in ihrer Beziehung zu den Eltern. Meist im fortgeschrittenen Jugendalter ändert sich die Qualität dieser Beziehung wie von selbst. Der nunmehr junge Erwachsene trifft zunehmend eigene Entscheidungen und geht damit von deren problemloser Akzeptanz aus, in vielen Familien eine konfliktreiche Zeit. Eine gütliche Regelung erfordert oftmals auch eine räumliche Distanz (Prozess der Individuation).

 

Der Ablösungsprozess zu einem klinischen Aufenthalt unterscheidet sich. Als therapeutischer Prozess greift er ein in ein automatisch ablaufendes Geschehen der Individuation des Einzelnen. Ein Prozess des „Werdens“, bei dem es darum geht, sich als Individuum zu erkennen und vor allem anzunehmen. Reifungsvorgänge ergänzen die psychische Entwicklung über die Lebensspanne hinweg.

 

Individuation wird zweckmäßigerweise aufgefasst als ein andauernder Prozess des Wandelns der Dinge. Das was in einem vor sich geht, ist aufzufassen als eine stetige Vorwärtsbewegung. Nur so macht es Sinn, z. B. die analytische Regression herauszufiltern und als Rückentwicklung zu definieren. Rückwärtsbezogenheit ist aber auch Teil einer normalen Weiterentwicklung und damit als Wandlungsgeschehen vorwärts gerichtet. Hier ist das persönliche Dilemma einzuordnen, in dem der Abhängige steht. Therapie will korrigieren und beansprucht den heilenden Aspekt.

 

Psychologisch notwendig ist im vorgenannten Grundverständnis weiterhin zu unterscheiden zwischen rückwärts orientierten Rückwärtsbewegungen und einem rückwärts gewandten Prozess aus der Vorwärtswandlung heraus. Eine ausführliche Anamnese ist notwendig, um den Einzelfall einordnen zu können. Alkohol wirkt bekanntermaßen persönlichkeitsspezifisch, erfasst eine augenblickliche Stimmungslage und untergräbt die physiologische Versorgung körpereigener Wirkstoffe.

 

Für die Ablösung interessant sind die Sensibilitäten, die auf natürlichem Wege innerhalb des klinischen Geschehens entstehen und auch entstehen müssen:

 

  • die persönliche Beziehung zum Therapeuten,
  • die Annahme der Behandlungsnotwendigkeit,
  • die Atmosphäre vor Ort, 
  • die Akzeptanz in der Gruppe,
  • das soziale Umfeld als Rückgrat,
  • objektive und subjektive Perspektiven.

 

Im Vorfeld einer Therapie kann ein Patient bereits in die zu erwartende Problematik eingebunden werden:

 

  • indem er weiß, dass er Lösungen der Kompensation entwickeln wird,
  • indem er sieht, dass die klinische Wirklichkeit darauf abzielt, die äußere Realität abzufedern, und
  • indem er akzeptiert, anzunehmen und sich bestmöglich einzulassen.

 

Während der Therapiezeit muss für jeden sein Eigeninteresse im Vordergrund stehen. Dies fällt meistens schwer, bestimmt aber entscheidend den Therapieerfolg. Es ist ihr gutes Recht, egoistisch zu sein. Gut angelegte Therapien bereinigen ihre Klientel von Störfaktoren, die ihre optimale künftige Entwicklung beeinträchtigen können.

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Intensive Klärung der Situation bringt wiederum automatisch mit sich, dass Ereignisse wie Übertragung und Projektion regelmäßig auftreten. Beide Merkmale sorgen ja auch für Bindung und somit entscheidend dafür, dass die Zeit überstanden werden kann. Insbesondere der zur Verfügung stehende Freizeitbereich ist ein Spannungsfeld für Projektionen, kann man doch hier seine Sparringspartner selbst auswählen. Das Übertragungsphänomen begleitet meist die Beziehung zum Therapieteam. Gegenübertragungen werden möglicherweise auch herausprovoziert. Gute Rollenspielsituationen können dafür sorgen, dass die Geschehnisse unter Kontrolle bleiben.

 

Patient und Therapeut müssen Vertrauen erzeugen und Nähe schaffen, dies vor dem Hintergrund einer akzeptablen Distanz. Der so erreichte Zustand ist Voraussetzung für den späteren Erfolg. Er sollte während der Therapiezeit nicht gestört werden. Notwendige Reformationen werden daher besser ausgelagert.

 

Ein Stressimpfungstraining (Stressinokulation) drängt sich hier förmlich auf. Nachsorge soll Neues zum Inhalt haben. Therapiemotiviert und abgestellt auf die Kompetenzmöglichkeiten des Klienten kann ein derartiges Training dort Gelerntes aufnehmen, helfen die Zeit sinnvoll abzurunden und gewonnene Energien neu zu verwenden. Eine kognitive Trainingsausrichtung fördert den Neustart und hilft, die Rückfallresistenz abzusichern. Aus der Verhaltenslehre werden Mechanismen zur Dekonditionierung mit berücksichtigt.