Affekt und Bewusstsein

Affekte sind umgangssprachlich definiert heftige, meist kurz andauernde Gemütsbewegungen. Begeisterung ist daher genauso Affekt wie überschäumende Wut, in die sich hineingesteigert werden kann. Affekte sind Erregungszustände.

 

Mit Affekten meint man auch Gefühle, Emotionen, aber auch die Verbindung zu Kognitionen. Im Spektrum unseres Bewusstseins, dem Zustand, spüren wir die körperlichen Symptome wie z. B. Veränderungen in Puls und Blutdruck, Atmung oder Mimik und Gestik. In unserem Erleben dominiert der durch die starke Aktivierung bedingte Handlungsimpuls, hinter dem sich Wahrnehmung, Erinnern und ggfls. Denken verbergen. Aus der Bewusstseinseinschränkung entsteht die Affekthandlung, die nicht ungezielt, aber unkontrolliert ist, z. B. die Kurzschlusshandlung. Affektstauung entlädt sich oftmals auf gefährliche Art und Weise. In dieser Sicht sind Affekte Störungen des normalen Erlebens und Handelns. Die Beherrschung der Affekte, d. h. des unmittelbaren Handlungsantriebs ist eine Voraussetzung für harmonisches, menschliches Zusammenleben und gehört zu den wichtigsten Erziehungszielen verschiedenster und unterschiedlicher Kulturen.

Die Rolle von Bewusstsein

Von Notman Studios (photographer) - [1]MS Am 1092 (1185), Series II, 23, Houghton Library, Harvard University, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16250941
William James

Bewusstsein zu definieren ist schwierig, weil es keine einheitlich anerkannte Definition gibt. Wir sprechen davon als etwas Selbstverständlichem, als einem stets gegebenen Etwas. Sprechen wir im Alltag vom Bewusstsein, meinen wir das Wach-Bewusstsein. Zusätzlich gibt es das Phänomen der Bewusstheit.

 

Im Zusammenhang mit Sucht und Gewalt rückt der Bewusstseinszustand in den Vordergrund. Bewusstsein ist in jedem Falle etwas Persönliches. Einfach ausgedrückt ist Bewusstsein die Beziehung des Ich auf einen äußeren oder inneren Gegenstand. Es geht dabei um geistig-körperliche Empfindungen. Bewusstseinsinhalte wandeln sich ständig. So werden auch unsere Empfindungen erfahrungsabhängig und bleiben immer einmalig.

 

Nach William James, dem Begründer der wissenschaftlichen Psychologie in den USA,  ist das menschliche Bewusstsein ‚spürbar kontinuierlich‘. Selbst wenn es  zu einer zeitlichen Unterbrechung im Bewusstsein kommt, scheine das Bewusstsein vor der Unterbrechung zu dem Bewusstsein zu gehören, das danach komme. In dieser Beziehung empfinde sich das Bewusstsein als ununterbrochen. Zusätzlich zu der Kontinuität in zeitlicher Hinsicht gebe es auch Kontinuität in der Hinsicht, dass die Teile des Bewusstseins innerlich verbunden erscheinen, zusammengehörig als Teile eines gemeinsamen Ganzen. Nach W. James ist der natürliche Name für dieses gemeinsame Ganze ‚Selbst oder Ich' (Quelle: Carroll E. Izard, Die Emotionen des Menschen: e. Einf. in d. Grundlagen d. Emotionspsychologie, Weinheim, Basel 1981). Bewusstsein markiert also den Vergleich von Möglichkeiten, die unsere Aufmerksamkeit erregen.

 

Affekte haben sowohl als Paradigmen wie auch als Determinanten eine erhebliche Bedeutung für unser persönliches Bewusstsein. In dieser Sicht sind sie beteiligt an der Entwicklung subjektiver Schemata, die wiederum funktionell wichtig sind als vergleichende Institution. Die Entwicklung zum Schema bildet im Alltag unser Verständnissystem. Dies macht uns wiederum steuerungsfähig und damit beeinflussbar über verschiedenste Einflussgrößen. Bewusstheit wird als Organisation des Biosystems betrachtet, d. h. nicht als Produkt einer bestimmten neuralen Schaltung. Bewusstheit hat sehr viel mit unserer Selbstorganisation zu tun.

 

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E. W. Sinnott (extracted by:) Jochen Burghardt [Public domain], via Wikimedia Commons

 Der amerikanische Philosoph, Botaniker und Lehrbuchautor Edmund Ware Sinnott vertritt als Repräsentant einer genetischen Perspektive den Standpunkt, dass Bewusstsein lediglich die empfundenen oder erlebten elektro-chemischen Prozesse des Körpers, hauptsächlich des Gehirns, sei. Er erkennt auch das eingebettet Sein des Organismus in eine Umwelt an. Damit erhält Bewusstsein eine emotionale Komponente, zu der auch ‚das Verlangen‘ gehöre. Die Empfindung ist somit der elementarste Aspekt von Bewusstsein (Quelle: Carroll E. Izard, Die Emotionen des Menschen: e. Einf. in d. Grundlagen d. Emotionspsychologie, Weinheim, Basel 1981).

 

Ausflug in die Neurobiologie

Zentrales System für die beiden Verhaltensmöglichkeiten Sucht und Gewalt ist das sog. limbische System. Es ist das emotionale Zentrum mit der Informationsspeicherung, also dem Gedächtnis, für vergangene Gefühle. Von hier aus werden Stimmungen beeinflusst und affektives Verhalten.

 

Im und durch das limbische System wird unser jeweiliger Antrieb bestimmt. Das gilt für lustvolle Anteile, aber auch für gefährliche Wut und Aggressionsausbrüche. Durch dichte Nervenbahnen ist das limbische System mit der Hypophyse verbunden. Hier wie auch in der Nebennierenrinde wird verstärkt Adrenalin mobilisiert. Starke Emotionen wie Angst und Wut drücken sich in körperlich angestautem Adrenalin bzw. Noradrenalin als gesteuerter Alarmreaktion aus. Die Form davon ist Fluchtverhalten, Kampfbereitschaft oder rücksichtsloses Ausagieren von Aggressionen. Gefährlich wird es, wenn stressgeplagte Menschen abhängig sind von der Adrenalinausschüttung im Nebennierenmark. Dies regt den Kreislauf an, man wird wachsam und konzentriert. Aber die ausagierende Wirkung des Noradrenalins fehlt. Holt jemand sich das Fehlende aus dem Kopf, entsteht Freude am Stress und damit an der Aggressivität (Suchtgefahr).

Der Neurotransmitter Acetylcholin ist Beteiligter am Funktionieren des limbischen Systems. Er ist zuständig für die Sondierung von Informationen und belegt unsere Gedanken mit Gefühlen. Machen wir uns angenehme Gedanken, erleben wir positive Gefühle. Drogen, aber auch das Herbeiführen positiver Zustände ansonsten, sind Hilfsmittel der alltäglichen Lebensbewältigung. Unserer körpereigenen Morphinmoleküle, die Endorphine, gelangen zur Produktion und Ausschüttung, indem wir Angenehmes und Positives tun. Handlungen erlangen so eine positive Bewertung über die entsprechende Ausschüttung im Organismus. Endorphine wirken in diesem Grundverständnis euphorisierend. Sie heben die Stimmung und sorgen gleichzeitig für die Beseitigung von Missstimmung. Für das Gewaltthema bedeutet dies, dass Menschen problemlos in der Lage sind, sich auf Verhaltensweisen einzulassen, die die Produktion o. g. Mechanismen auslösen. Die entsprechende Ausschüttung körpereigner Stoffe sorgt für angenehme Zustände. Neigt jemand zur Gewaltanwendung, bedeutet dies auch, dass derartiges Verhalten deswegen positiv bewertet wird und aufrechterhalten bleibt, weil die Stoffe so ausgeschüttet werden. Hierin liegt erhebliches Suchtpotential.

 

Zum Thema Gewaltpotential und Ernährungseinflüsse finden Sie unter der Überschrift 'Suchtpotential Zucker' einen Artikel in meinem BLOG.