Selbstwirksamkeit

Stellt ein Süchtiger bzw. Abhängiger sich endlich seinem größten Problem, drängt sich neben anderen Varianten auch die Stressperspektive als eine Blickrichtung auf, um das Fundament der aktuellen Betrachtung der jeweiligen Lebenssituation zu werden. Jeder Betroffene hat neben seinem gewöhnlichen Alltagsstress (berufliche Situation) auch zusätzlich Suchtstress zu verarbeiten. Eine Überforderung ist also völlig normal.

Jede von der Sucht betroffene Person steht in einem Selbstbild, das sie regelmäßig selbst aufstellt und für das sie keine positive Wertung finden kann. Unter einem Selbstbild versteht man das Verhältnis der negativen zu den positiven Dingen der Lebensumstände des Einzelnen. Ein Selbstbild entsteht primär aus sich selbst heraus. Dies geschieht meist, indem wir einen inneren Dialog darüber führen und diesen auch mit konkreten Ergebnissen abschließen. Der Süchtige ist durch seine Stellung im Leben geradezu verdammt, dies häufiger als alle anderen tun zu müssen. Neben Gefühlen der Angst, des Neides und des Selbstmitleids, der Enttäuschung und auch des Sich-Schämens quälen ihn Zweifel auf allen Ebenen seiner Person. Unangemessene Entscheidungen zu treffen liegt in der Natur seiner Persönlichkeitsproblematik. Betroffene ziehen sich meist selber sehr tief herunter und kommen aus irrationalem Denken kaum mehr heraus. Insbesondere dieses Abdriften ins Irrationale verhindert, dass positive Überzeugungen über sich überhaupt noch entstehen können. Damit wird auch eine optimale Leistungserbringung unmöglich gemacht. Der drohende Verlust subjektiver Kompetenz beeinflusst Wahrnehmung und Emotionen und trägt sich mehr und mehr in den Alltag hinein (Generalisierungseffekte). Der Betroffene zieht sich zurück, er verliert die Bereitschaft, auch Risiken einzugehen und erhöht sein Vermeidungsverhalten. Für die junge Generation besonders gefährlich ist der Aspekt der Stagnation ihrer Entwicklung. Ein Abhängiger entwickelt kein Gefühl für sein eigenes Können, seine persönliche Leistungsfähigkeit.

Stress beeinflusst alle Prozesse der Selbstregulierung im Individuum. Modernes Stressmanagement für Süchtige stellt die Person selbst in den Vordergrund. Immer geht es dabei um Weiterentwicklung der persönlichen Fähigkeiten. Dies muss der Anspruch guter Suchtarbeit sein. Berücksichtigung finden die jeweilige Umweltsituation, die auch Auslöser von Verhalten sein kann, aber auch sonstige Determinanten. Selbstregulierung berücksichtigt im Wesentlichen drei Elemente auf einer Verhaltensebene:

  • Selbstbeobachtung
  • Erlebnisbeschreibungen mit den dazugehörigen Bewertungen,
  • Einflüsse der persönlichen Umgebung, wie auch das subjektive Veränderungspotential.

Ziel der Arbeit mit dem Klienten ist neue Freiräume für Entwicklungen zu schaffen. Dabei kommt es darauf an, die potentiellen Möglichkeiten, die in der Person selbst liegen herauszuarbeiten und den Betroffenen auch dazu anzuhalten, selbst Verstärkungsmechanismen zu entwickeln. Der Abhängige wird Initiator seiner neuen Selbstverwirklichung.

Der soziale Rückzug als Chance

Stress, dem man sich entzieht, kann auch keinen negativen Einfluss auf jemand haben. Dieser einfachen Regel liegt das Gesetz des Effekts zugrunde. Für den Abhängigen ist das Handeln überlebenswichtig. Handeln ist die Basis für Veränderungsaufbau. Der Erfolg wird streng an den Konsequenzen festgemacht. Wichtig ist, dass der Betroffenen seinem eigenen Selbstschutz Priorität einräumt und aus einer gesicherten Position heraus vorgeht.

Der Rückzug aus sozialen Situationen ist ein probates Hilfsmittel zur Selbsthilfe und ein wirksames Instrument zur Aufrechterhaltung einer bereits erreichten Abstinenz da, wo dieses erforderlich ist. Grundsätzlich ist für jeden Betroffenen Abstinenz schnell erreichbar. In der Regel wird der Betroffene in diversen Krankenhäusern weggesperrt und erreicht damit unverzüglich seine Abstinenz. Kernproblem ab diesem Zeitpunkt bleibt die Frage, wie diese aufrechterhalten werden kann. Sozialer Rückzug ist der gesicherte Weg für eine Neuorientierung und sollte in jedem Falle auch im Umfeld des Betroffenen positiv bewertet werden.