Was heißt hier Sättigung?

Im Allgemeinen wird der Begriff Sättigung unserer Ernährung gutgeschrieben. Er ist per Definition aus der Ernährungspsychologie als ein Werdegang, ein Prozess aufzufassen. Sättigung entsteht über den Essvorgang und mündet in das Ergebnis satt zu sein.

Einige Einflussgrößen auf den Prozess der Sättigung sind:

  • der gedeckte Tisch als Blickfang
  • Atmosphärisches
  • die aktuelle Stimmungslage
  • Geschmacksempfinden
  • Nährstoffgehalt
  • Esstempo und Menge
  • Trinkmenge
  • Interozeption, also die Wahrnehmung von Körpergefühlen, die das Essverhalten steuern
  • rationale Erwägungen
  • genetische Dispositionen

Lustbetonte Anteile während man isst, ergeben sich aus der Konzentration auf das Essen. Nur so kann die Wahrnehmung des Geschmacks und Geruchs Bestandteil von Sättigung werden und vor allem über den Aspekt der Zufriedenheit den Essvorgang abrunden.

Die Sättigungskaskade

Der Sättigungsprozess vollzieht sich in Phasen (s. V. Pudel/J. Westerhöfer „Ernährungspsychologie“, ein Modell von Blundell 1990A). Sättigungsmechanismen können den verschiedenen Phasen zugeordnet werden. Hierzu zählen:

  1. sensorische Prozesse, z. B. die Aufbereitung des Essens
  2. kognitive Prozesse, z. B. der eingeschätzte Kaloriengehalt
  3. postingestionale Effekte, d. h. die Wirkungen der Nahrungsmittel nach einer Nahrungsaufnahme z. B. Magenfüllung, Magendehnung, Magensaftproduktion und Darmtätigkeit
  4. postresorptive Prozesse, d. h. die Synthese der Nährstoffe, Stoffwechselprodukte und ihre Auswirkungen, z. B. Veränderungen, die von Glukose ausgelöst werden oder Substanzen, die über die Blut-Hirn-Schranke unsere Gehirntätigkteit beeinflussen usw.

Nach Blundell können die Mechanismen, die für die Entstehung von Hungergefühlen verantwortlich gemacht werden, ebenfalls hier eingeordnet werden. Diese sind:

  • die glukostatische Theorie, wonach die abnehmende Verfügbarkeit von Glukose für das Entstehen eines Hungergefühls verantwortlich gemacht wird.
  • die thermostatische Theorie. Hiernach können Veränderungen des Wärmestatus im Organismus dazu beitragen, dass Hunger entsteht.
  • die lipostatische Theorie. Über entsprechende Rezeptoren werden Gewichtsabweichungen von einem sogenannten Soll-Gewicht registriert und sollen regulatorisch auf die Nahrungsaufnahme Einfluss haben.

Das Hungergefühl wird wie viele andere vegetative Funktionen vom Hypothalamus gesteuert. Interessant sind sicherlich Überlegungen zum Glukosestatus. So wurde festgestellt, dass Drogenabhängige in der Regel einen niedrigen Blutzuckerspiegel aufweisen. Aggressive Verhaltensweisen können auch ihre Quelle in einem zu niedrigen Blutzuckerspiegel haben. Es kommt demnach sehr auf die persönliche subjektive Bewertung der inneren Zustandsveränderung an, ist also auch eine Frage der Interpretation und der Auslegung.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) definiert Sättigung als den "Prozess der Beendigung einer Mahlzeit, der direkt durch die Aufnahme von Nahrung ausgelöst wird". Somit sind rationale, psychologische und organismisch-physiologische Mechanismen Legitimation, den Essvorgang zu beenden und können als Sättigungseffekt dargestellt werden. Darüber hinaus können Menschen natürlich essen, ohne Hunger und Appetit zu haben und auch einen Essvorgang beenden, ohne satt zu sein.

Die Sättigungskaskade beim Rauchen

Sie gilt für den Rauchvorgang einer Zigarette bzw. entsprechender Einheiten, also mehrerer Zigaretten hintereinander oder auf den Tag bezogen.

Ähnlich wie der Prozess der Sättigung bei der Nahrungsaufnahme (Essen) verschiedene Mechanismen beinhaltet, verhält es sich auch beim Rauchen. Meist nach einer Zigarette, sonst nach mehreren Zigaretten, die – bei längerer als der üblichen Abstinenz - relativ kurz hintereinander geraucht werden, tritt beim Raucher der Zustand des "Rauchen-satt-zu-sein" ein. Die subjektive Zufriedenheit, die sich für den Raucher daraus ergibt, erklärt sich nicht nur aus der Auffüllung des Nikotinspiegels nach Abbau.

Die Summation der Teile beim Zigarettenrauchen gestaltet sich wie folgt: 

  • sensorisch, d. h. die Sinne betreffend. Das zuständige Organ ist die Zunge, genauer deren hinterer Bereich und der Zungengrund mit Sensoren für Bitter-Geschmacksstoffe. Das gilt sowohl für Nikotin als auch für Koffein. Sinnesempfindung insgesamt ergibt sich aus Geschmack und Geruch.
  • Sensuell, d. h. die sinnliche Wahrnehmung betreffend. Merkmalsbestandteile sind das Festhalten der Zigarette zwischen den Fingern (taktil), die Empfindung des Inhalierens analog dem Vorgang, den Rauch abzulassen und die rauchertypische Gestik und Motorik.
  • Ingestion/postinestional. Hier geht es um die Inhaltsstoffe, die durch Rauchen aufgenommen werden und die Effekte danach wie Aufrechterhaltung des Nikotinspiegels, Speichel- und Magensaftsekretion, Verdauung, Einfluss auf die Sauerstoffversorgung, Unterdrückung eines Hungergefühls sowie Konzentrationssteigerung, d. h. zielgerichtete Aufmerksamkeit und Lernen werden verbessert.
  • Resorption / postresorptiv. Hier geht es um die Aufnahme der Inhaltsstoffe in die Blutbahn und deren Stoffwechselwirkungen: Veränderungen im Energiehaushalt, bei Frauen Veränderung des Östrogenspiegels, Beeinflussung zahlreicher Neurotransmitter, z. B. Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin, Serotonin, Histamin, Glutamat, GABA. Nikotin wirkt beruhigend und verbessert die emotionale Belastbarkeit, die Aggressionsbereitschaft verringert sich, Angstgefühle können besser kontrolliert werden bzw. tauchen erst gar nicht auf, sowie Beeinflussung des Bewusstseinszustand (Wachbewusstsein). Damit in Verbindung steht ein verändertes Zeitgefühl.

Sättigungswert und -gehalt bei der Raucherentwöhnung im Zeitraum von 8 - 10 Wochen

Ein Entwöhnungsideal ist sicherlich, zum Zeitpunkt des Aufhörens einen Zustand erreicht zu haben, der es dann auch dabei belässt, nicht mehr zu rauchen. Der erreichte Nichtraucherstatus sollte so beschaffen sein, dass die Rückfallgefahr minimiert ist, weitestgehend Stressfreiheit vorliegt und Abstinenz mühelos aufrechterhalten werden kann. Maßnahmen einer Änderung sollten den erreichten Status umsorgen und so für Dauer und Langfristigkeit sorgen. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt und jedes Investment ist lohnend, dem weiteren Lebensweg auch eine adäquate Lebensqualität zu geben.

Einflussgrößen als Beiträge zum Sättigungseffekt sind:

  • Sensorisch, d. h. wie bisher (siehe Summation im Abschnitt oben). Eine Effektverstärkung erfolgt über das Einfügen verlängerter rauchfreier Zeiträume.
  • Kognitiv: Die Absicht, mit dem Rauchen aufzuhören, führt zu einer Einstellungsveränderung über das Thema Rauchen. Für den Einzelnen ist jetzt bedeutsam, sich so zu formieren, dass ein sukzessiver Abbau der gerauchten Anzahl Zigaretten umgesetzt werden kann. Einem Entwöhnungsprogramm ist also auch ein entsprechender Stellenwert für die Zeitdauer einzuräumen, weil die ganze Person gefordert ist. Von Anfang an sollte ein gutes Fitness- und Bewegungsprogramm den Entwöhnungsvorgang begleiten. Die Entzugssymptomatik wird geschmälert bzw. tritt kaum spürbar auf. Sportliches Training ist auch sinnvolle Zeitgestaltung und das ist am Anfang unerhört wichtig. Denn Sorgen, ob man das schafft, entstehen ebenso wie diverse Ängste, z. B. über den eingeschätzten Gesundheitszustand, mögliche Körperveränderungen, das schlechte Gewissen meldet sich usw.
  • Sensuell, d. h. wie bisher (s. Summation im Abschnitt oben). Dazu gehören Erleichterungseffekte, Selbstzufriedenheit und eine Bewusstseinsveränderung.
  • Kognitiv: In der Kopfarbeit treten verstärkt Dissonanzen auf. Dafür und Dagegen wechseln sich ab. Das Selbstverständnis und die Bedenkenlosigkeit, mit der man bisher geraucht hat, rumoren innerlich mächtig und stark. Die durch Aufklärung über die Jahre angehäuften negativen Aspekte des Rauchens werden in der Person wirksam. Sie sind ja bisher erfolgreich übergangen worden, holen einen aber letztlich doch ein. Zu beachten ist, dass sie jetzt keine überdimensionale Bedeutung erhalten und damit zur falschen Zeit auch noch falsch wirksam werden.
  • Ingestion/postingestional, d. h. wie bisher (s. Summation im Abschnitt oben). Dazu kommen Erleichterungsgefühl, Selbstzufriedenheit, es kann mehr Nahrung aufgenommen werden, der Stellenwert der Ernährung ändert sich.
  • Kognitiv: Weniger kann sogar noch mehr sein. Je mehr sich die gerauchte Anzahl Zigaretten reduziert, umso mehr Effekte und Bedeutung erzielen die gerauchten Zigaretten. Hat man erfolgreich zahlreiche Dissonanzen bearbeitet und überstanden, verstärkt sich jetzt die Selbstsicherheit. Jeder hat jetzt die Möglichkeit, zum interessierten Beobachter seiner selbst zu werden. Die gerauchte Anzahl reduziert sich weiterhin. Es bleibt wichtig, die übrig gebliebene Menge mit Freude zu rauchen. Für die persönliche Regulierung und die Aufrechterhaltung der Funktionstüchtigkeit ist die geringe Anzahl unerlässlich.
  • Resorption/postresorptiv, d. h. wie bisher (s. Summation im Abschnitt oben). Dazu gehören  erfolgreich bewältigte organismische Veränderungen über die Verschiebung rauchfreier Zeiträume und die Adaption an eine geringe Rauchanzahl, z. B. zirkadiane Rhythmen bei vegetativen Prozessen, hypothalmische Zentren regeln die Temperaturrhythmik, die Rhythmik der Nahrungsaufnahme, sowie Glukose- und Kortisol-Blutspiegelrhythmik.
  • Kognitiv: Rationale Überlegungen und verstandesmäßige Arbeit sind jetzt out. "Aus dem Bauch" entscheidet der Noch-Raucher, wann die letzte Zigarette abgelegt wird.