Sucht und Gewalt - Einsamkeit

 

Einsamkeit ist ein zentrales Thema in jeder komplex angelegten Suchtarbeit. Bedingt durch viele Gemeinsamkeiten gilt dies auch synonym für das Thema Gewalt.

Mit dem Begriff Einsamkeit ist die Abgeschiedenheit des einzelnen Menschen von seiner Umwelt im räumlichen oder meist im seelischen Sinne gemeint. Allen bekannt, hat der Begriff eine sehr lange Tradition. Die Mystik sprach die ‚Ausgegrenztheit‘ der Seele an. Die Epoche der Aufklärung wertete Einsamkeit als positive Zurückgezogenheit. In der Phase der Empfindsamkeit war die gesamte Innerlichkeit damit angesprochen.

 

Gemeinsam ist allen Sichtweisen ein von der Umwelt abgespaltenes isoliertes Ich. Innerhalb der Psychologie steht das gesamte Ich immer in einem Bezug zum Bewusstsein, also zum Wissen, zur Erkenntnis oder aber auch zu einem vagen Vermuten mit den bekannten Begleiterscheinungen wie dem sich Sorgen machen, dem Entstehen von Ängsten, Schüchternheit, Scham usw.

 

Interessant ist die Sichtweise innerhalb der Literatur. Hier bestimmt der Aspekt der Einsamkeit die Situation des lyrischen Ichs (insbesondere in der Romantik und in der Literatur des 19. Und 20. Jhdt.). Sehr gern bedient sich die Literatur der Figur des ‚Einsamen‘. Einsamkeit in der Lyrik ist vor allem geprägt durch die Platzierung im Hintergrund. Psychologisch betrachtet entfaltet sich die Wirksamkeit hieraus innerhalb der Person als Aufbauprozess, der auch bei Fehlhaltungen als dominant umsorgt wird.

 

Die moderne Entwicklung erkennt Einsamkeit mehr als soziale Isolierung, die den Umständen geschuldet wird, aber auch bewusst herbeigeführt ist. Das ist dann die bekannte Außenseiterrolle. Einsamkeit wird auch in Beziehung gebracht zu Formen der Entfremdung, zu Heimatlosigkeit und dem Verlust innerer Werte, vor alle auch dem des Glaubens. Tiefe Einsamkeit schafft Probleme in glaubensmäßigen Angelegenheiten, kennt doch der Glaube an sich die Einsamkeit nicht. Das Thema steht heute für Veränderungen von Familie und begründet neben anderen Merkmalen auch neue Lebensformen, die z. B. die Anonymität wie das Leben in der Großstadt hervorbringen.

 

Für die allgemeine Psychologie ist Einsamkeit von besonderer Bedeutung als Spannungsfeld innerhalb unserer Kommunikation. Die Ich-Perspektive wird erweitert auf das ‚Selbst-Sein‘. Als Merkmal von Eigenständigkeit gilt es den anderen anzunehmen und jeden in seiner Andersheit zu akzeptieren, um so erst menschliche Begegnung möglich zu machen.

Eine erste Konkretisierung

Manifeste Sucht ist tief in der Persönlichkeit des Betroffenen verankert. Hier trifft sich Sucht auch mit Gewalt. Gewaltbereitschaft hat ihre Basis in den Wurzeln der Persönlichkeit. Lediglich die alltägliche, gewohnheitsmäßige Gewaltanwendung hebt sich hier heraus, z. B. als verbalisierte Gewalt. Gemeinsamkeiten entstehen dann über Gewöhnungseffekte, meist verbunden mit Dosissteigerungen.

 

Tiefe Einsamkeit fördert in davon betroffenen Personen den Aufbau einer Eigenwelt. Die Begrenzung liegt im sog. ‚Selbst‘ begründet. Die subjektive Erfahrung des Einzelnen über die persönliche Begrenztheit lenkt die Aufmerksamkeit auf das Grenzenlose. Damit ist der Bogen gespannt zur Manifestation von Suchtverhalten, u. a. aber auch zu einer Bereitschaft für tiefe Gläubigkeit.

 

 

 

Die Fachwelt im Suchtbereich anerkennt an dieser Stelle die Problematik von narzisstischer Energie und damit die Beziehung zu einer Persönlichkeitsstörung, dem sog. Narzissmus. Noch heute wird den meisten Abhängigen unterstellt, Abhängigkeit entstehe in der Hauptsache aus einem narzisstischen Krankheitsbild heraus, das als Kausalität angenommen wird. Für uns interessant ist die Frage, wo therapeutische Qualität und damit auch Selbstheilungsmöglichkeiten anzusiedeln sind. Stark vereinfacht dargestellt und unter Verweis auf die Autoren C. G. Jung, H. Kohut und E. Neumann kann man sagen, dass es dabei um das Thema der integralen Persönlichkeit geht.

 

Jede ungestörte Entwicklung bildet ein Ich aus, das die Fähigkeit besitzt, Positives und Negatives erfolgreich zu integrieren und damit nebeneinander zu stellen. Die Persönlichkeit baut sich auf als Ganzheit, die dann als ‚Selbst‘ bezeichnet wird. Teil davon ist das Bewusstseinszentrum, das sog. Ich. Das ‚integrale Ich‘ des Süchtigen hat im Sinne von Heilung keine Wahlmöglichkeit mehr. Auf unser Thema bezogen ist damit das Kriterium der Einsamkeit dauerhaft in die Person zu integrieren und als gegeben zu akzeptieren. Erst hiernach kann es weitere Lösungen geben.

Abrundung zu Ihrem persönlichen Erfolg

Einsamkeit kann nicht kompensiert werden. Sie steht für sich. Sie zu instrumentalisieren ist eine unabdingbare Notwendigkeit in einem Veränderungsprozess für Süchtige. Erst ihre Akzeptanz auf Dauer ermöglicht ernsthaft die Thematisierung des Sicherheitsaspekts, den jeder Mensch überlebensnotwendig braucht.

 

Aus der Beschäftigung mit der Einsamkeit insgesamt ergibt sich der künftige Erfolg, der für Abhängige oftmals ein Leben in Abstinenz bedeutet.

 

Das Wie einer Umsetzbarkeit liefert die funktionelle Autonomie als konzeptionelle Lösung nach G. W. Allport. Der Betroffene lernt, wie eine derartige Aktivität das Ziel an sich werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn man ursprünglich aus einem anderen Grund mit ihr beschäftigt war, z. B. um ihre Stellung zu bewerten.

 

Den Vorgang richtig verstanden, entsteht ein Konzept des Eigenstrebens, das auch verselbständigt bleibt, wenn man Modelle der Spannungsreaktion als Gegensatz auffasst. Dies wird in der Regel auch meist erfolglos versucht. Derartige Motivationen führen im Suchtbereich regelmäßig zu Reibungspunkten, die meist nicht überwunden werden (Patient-Therapeut-Beziehung). Aktivitäten, die durch Eigenstreben motiviert  sind, widersetzen sich einem Gleichgewicht. Die sog. Ich-Beteiligung wird zu einer Problemlösungsstrategie.