Suchtpotential Zucker

Alles für den Alleskönner ...

 

Zucker ist ein Animateur. Seine auch spürbare Wirkung in uns gleicht aus und macht uns zufrieden.

Zucker ist ein Provokateur. In großen Mengen unkontrolliert und vor allem regelmäßig genossen, ist  er an Krankheiten beteiligt und schadet vor allen den Zähnen.

Zucker ist ein Protagonist. Er ist unser Regulator für die Lebensvorgänge. Unsere Hirnzellen decken ihren Energiebedarf ausschließlich über Glukose. Ist das Angebot ausreichend, erfolgt die Hirnversorgung ohne auf das körpereigene Insulinangebot angewiesen zu sein.

 

Zucker wirkt hormonähnlich. In Form von Glukose stellt der Körper Zucker selbst her. Die modernen Lebensumstände verlangen aber nach mehr.

 

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Ein kurzer Blick in die Geschichte der großen Evolution lohnt sich: geht man von ausreichend vorhandener Nahrung aus, ist das vorrangige Problem des modernen Menschen, die richtige Auswahl zu treffen. Heutige Kommunikation vermittelt allen das nötige Grundwissen. Zu Urzeiten war es lediglich die Intuition des Einzelnen, die über Leben und Tod im Hinblick auf Nahrung, überwiegend durch Pflanzen, entschied. Als Allesesser war der Mensch darauf angewiesen, auch aufgrund des Geschmacks zu erkennen, was gefährlich für ihn war und was nicht. Süße Nahrung, damals ausschließlich Früchte, vermittelten Bedenkenlosigkeit im Hinblick auf das Konsumverhalten. Durch das miteinander Teilen von Speisen überlieferte sich auch die soziale Kultur, die für das damalige Überleben wichtig schien. Geblieben sind zahlreiche Interaktionsformen, die in Zusammenhang mit Essen stehen. Zusätzlich haben die heutigen Menschen Mechanismen entwickelt,  natürlich vorhandene Giftstoffe in Nahrungsmitteln herauszufiltern. Die Gefahrenquellen haben sich verändert. Wohlstand definiert sich heute auch über das Ernährungsverhalten einer Gesellschaft.

 

 

Als Nahrungsmittel gelten die Grundnährstoffe Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße. Kohlenhydrate bestehen aus Einfachzuckern (Monosaccharide). Hierzu gehören der Traubenzucker (Glukose) und der Fruchtzucker (Fruktose). Lagern sich zwei Einfachzucker aneinander, entstehen Zweifachzucker (Disaccharide). Verbindungen aus einer größeren Anzahl von Einfachzuckern werden als Vielfachzucker (Polysaccharide) bezeichnet. Wichtige Polysaccharide sind die tierische Stärke, d. h. Glykogen, und die pflanzliche Stärke, also Amylum.

 

 „Das Eßverhalten wird vor allem durch Nervenzellen des Zwischenhirns kontrolliert, die entweder fördernd („Eßzentrum“) oder bremsend („Sattheitszentrum“) auf die Nahrungsaufnahme einwirken. Wichtig ist dabei das Zusammenspiel mit einem 1995 entdeckten Hormon, dem Leptin. Dieses wird von Fettzellen gebildet und hemmt über Leptin-Rezeptoren im Zwischenhirn die Nahrungsaufnahme. Je mehr Fett aktuell gebildet wird, desto stärker ist auch das Leptin-Signal und damit die Hemmwirkung. Umgekehrt steigert sich das Hungergefühl bei geringerer Fettbildung und damit sinkendem Leptin-Spiegel.“ Quelle: Speckmann/Wittkowski: Bau und Funktion des menschlichen Körpers. 19. Auflage. München: Urban & Fischer, 1998, S. 238.

 

Zucker und zuckerhaltige Lebens- und Nahrungsmittel sind unerlässlich für unsere Energiegewinnung, unser augenblickliches Wohlbefinden und unser Funktionieren schlechthin. Der Energiebedarf des Menschen ist nicht gleichbleibend, er nimmt mit dem Lebensalter ab und mit der körperlichen Betätigung zu. Stress und vor allem geistige Fitness und Frische erfordern ein kluges Ernährungsverhalten, bei dem auch der Konsum von Zucker einen wichtigen Platz einnimmt. Gehirn, Muskeln und unser Stoffwechsel benötigen damit Zucker, um optimale zu funktionieren.

 

Ein Zugang zur Suchtproblematik ist über die Frage der Zugehörigkeit als Genussmittel leicht zu finden. Verführerische Geschmackskreationen kommen im Gedächtnis gut an und unser Auge sieht meist schon im Voraus, was wir gerne essen möchten. Moderne Entwicklungen in wissenschaftlicher Arbeit untersuchen die Aktivitäten des menschlichen Belohnungssystems und wollen so süchtiges Verhalten auf einer molekularen Basis definieren. Zucker beeinflusst natürlich unser Belohnungssystem, sorgt für eine entsprechende Dopamin-Ausschüttung und manifestiert damit eine Aufforderung zur Wiederholung. Nachhaltig psychologisch interessant werden die Wirkungen von Zucker jedoch erst, wenn man sie nach der Auswirkung  im Grundverständnis eines obsession driver (besetzt sein) hinterfragt.

Das American College of Neuropharmacology definiert Zucker nach einer durchgeführten Studie als Suchtmittel. Ein derartiges Ergebnis stimmt bedenklich. Letztendlich würde das bedeuten, dass z. B. Holländer Käse ebenfalls Suchtpotential entfaltet.

 

Zucker ist für Menschen wertvoll als Energielieferant und damit unersetzbar in einer modernen Welt. Verschiedene Zuckerarten setzen die gelieferte Energie unterschiedlich schnell frei. Damit gibt es Qualitätsunterschiede im Hinblick auf die Verwertbarkeit für jeden Organismus. Durch die Energiegewinnung aus Zucker zählt dieser zu den Nährstoffen, ist damit auch ein Nahrungsmittel. Als fester Bestandteil unseres Ernährungsverhaltens ist er – richtig konsumiert – Teil von Gesundheit. Falsch eingesetzt ist er Gefahr für unsere Gesundheit. Entscheidend für den Konsum von Zucker ist der Aspekt der Befindlichkeit. Zucker macht uns zufrieden, sein süßer Geschmack ist nicht gegen eine andere Geschmackskreation austauschbar. Probleme, die dem Menschen der Zucker macht, entstehen i. d. R. durch ein Zuviel davon. Grundsätzlich kann man sagen, ist die Veränderbarkeit von Ernährungsgewohnheiten dann günstig, wenn emotionale Faktoren Einfluss gewinnen. Sachliche Information oder kognitive Argumente unterliegen aber der Änderungsresistenz.

 

 

Für unser Thema ist besonders wichtig, den Blutzuckerspiegel unter die Lupe zu nehmen. Er ist die Brücke zwischen Zuckerkonsum, Ernährung inklusive Trinken, sowie Sucht, Aggressivität oder auch abweichendem Verhalten. Ergebnisse in den USA zeigen, dass junge Rauschgifteinsteiger fast immer einen zu niedrigen Blutzuckerspiegel haben. Dies trifft im Übrigen auch für regen Drogenkonsum an sich zu. Offensichtlich führt auch ein zu niedriger Blutzuckerspiegel zu Irritationen im Verhalten des Konsumenten. Sehr oft entschlüsseln Verbraucher einen augenblicklichen Zustand der Unterzuckerung als Hungerreiz.

 

In US-Haftanstalten ist man zu dem Ergebnis gekommen, auf Mehlspeisen und Zucker weitestgehend zu verzichten. Es wurde festgestellt, dass pro Person bis zu 200 kg Zucker verbraucht wurden. Über die Insulinausschüttung verursachen Regulierungsprozesse im Körper massiven Stress (Adrenalin). Dieser begünstigt Aggressivität, negative Stimmungslagen und vor allem auch Gewaltbereitschaft (niedrige Frustrationstoleranz). Klaus Oberbeil erklärt die biochemischen Abläufe dabei anschaulich wie folgt:

 

„Der Blutzuckerspiegel sinkt rapide, und Gehirn und Nerven sind mit Glukose, dem einzigen Brennstoff für ihre Energiezellen, unterversorgt. Die Gehirn- und Nervenzellen quellen auf, um durch einen größeren Umfang auch mehr Glukose aus dem Blut aufnehmen zu können. Die ersten Symptome dieses Prozesses sind Nervenschwäche, Konzentrationsmangel und Müdigkeit. Später kommt häufig Aggressivität hinzu. Diese besonders intensive Form von Stress entleert die Adrenalinspeicher im Nebennierenmark. Adrenalin wiederum öffnet in der Leber die Reserven an Glukose, die nun ins Blut schieß und innerhalb von Sekunden den Blutzuckerspiegel nach oben treibt. Gehirn- und Nervenzellen werden wieder ausreichend versorgt.“ Quelle: K. Oberbeil: Fit durch gesunde Ernährung. München:  Südwest-Verlag, 1999, S. 44.

 

Die sog. Hypoglykämie, verstanden als Ergebnis falscher Ernährung, hat somit einen direkten Bezug zu Aggressivität, Konsumverhalten und Sucht. Zu bedenken ist dieser 'Zustand' auch, wenn es um sog. 'Aussetzer' geht, d. h. überschäumende Gewalt. Bewusstseinsfaktoren zur Aggressivität Sucht und Gewalt werden an anderer Stelle ausführlich dargestellt. Abschließend soll noch kurz auf das menschliche Konsumverhalten im Hinblick auf Zucker und entsprechende Produkte eingegangen werden:

 

In modernen marktwirtschaftlichen Systemen sind Menschen Nachfrager am Markt. Unser Konsumverhalten ist gelernt, damit steuerbar und nur ein geringer Teil ist echt orientiert an tatsächlichen Bedürfnissen. Konsumgewohnheiten begründen sich in dem Vorgang der Habitualisierung, d. h. lerntheoretisch betrachtet als Folge dauerhafter Verstärkung. Weitere Folge dieser Gewöhnung ist ein Nachlassen kognitiver Aktivitäten über das, was passiert. So entstandene Entlastung erleichtert das jeweilige Handlungsgefüge (Kauf, Zubereitung, Konsum). Automatismen entstehen und werden verhaltensbestimmend. Positive Erfahrungen mit dem Produkt sind einzige Voraussetzung für einen Prozess, der sukzessive abläuft (Phasenkonzept von Howard, 1977). Bei Nahrungsmitteln kommt die persönliche Bewertung auf körperlicher Ebene hinzu. Gewohnheiten entstehen aus

  • Versuchs- und Irrtumsprozessen
  • assoziativen Verknüpfungen
  • sozialen Modellen
  • extensiven Entscheidungsprozessen.

 

Die ‚Macht der Gewohnheit‘ wird erst auffällig, wenn Sie in Konflikt mit Bedürfnissen tritt. Ansonsten müssen rationale Angriffspunkte definiert werden, um Verhalten aus Gewohnheiten zu verändern.

 

 

Unter dem Menüpunkt Sucht und Gewalt wird das Thema in diesem Zusammenhang nochmals aufgegriffen.