Sucht und Suchtgedächtnis

Einfach ausradieren ... ?

 

Biochemische und neurochirurgische Forschung sucht schon seit längeren nach dem berühmten „Knopf“  im Kopf des Säufers, den man drücken kann und ab dann ist er kein Säufer mehr. Aber was passiert eigentlich im Gehirn des Süchtigen?

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Dazu in aller Kürze: um das zu wiederholen, was wir gerne machen, brauchen wir die Bewertung durch das Belohnungssystem unseres Gehirns. Die Kommunikation dort passiert über die Tätigkeit von Botenstoffen. Botenstoffe oder Neurotransmitter sind endogene, also körpereigene Drogen. Sie sind Träger unserer Fähigkeiten, fördern Entspannung und Stimmungsaufhellung. So inspiriert Acetylcholin die Welt der Gedanken, Endorphine sorgen für Schmerzfreiheit und euphorische Zustände, während Dopamin Fantasie und Kreativität des Einzelnen beflügelt.

 

Die Forschung versteht unser Gehirn immer besser. Als wichtige Regionen für die Sucht- und Abhängigkeitsproblematik gelten die Großhirnrinde (Cortex cerebri) als Sitz von Lern-, Sprach- und Denkfähigkeiten, sowie das Zwischenhirn als Schaltstelle für aufgenommene Reizeindrücke (Sinnestätigkeit). Von erheblicher Bedeutung ist auch das limbische System als emotionales Zentrum mit der Besonderheit, Informationsspeicher für vergangene Gefühle zu sein. Stammhirn und Kleinhirn stehen im Dienst unserer vegetativen Funktionen.  Bedeutsam für unsere Problematik sind auch die sog. Gliazellen, die aktiv beim Aufbau des Gedächtnisses mithelfen.

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Zurück zu den Neurotransmittern: die perfekte Art sie zu mobilisieren, geschieht durch Ausagieren der jeweiligen Stimmungslage. Äußerst nachteilig wirken sich ein kontinuierliches Sich-Zusammenreißen und ein ständiges Anpassen an die Umstände aus. Wer so lebt, dämpft regelmäßig seine körpereigenen Fähigkeiten zur Produktion der überlebenswichtigen Botenstoffe. Produzieren wir aus uns selbst heraus ausreichend Botenstoffe, verfügen wir über hinlänglich genug Motivation, die verschiedensten Dinge mit großer Freude zu tun. In dem Drang zur Wiederholung der beschriebenen Vorgänge steckt das Risiko, für süchtiges Verhalten anfällig zu werden. Manifestiert sich eine solche Sucht, zahlen wir auf neuronaler (materialistischer) Ebene einen hohen Preis. Unser Belohnungssystem ändert sich. Geschieht diese Veränderung unter den Einflüssen konsumierter Drogen, also auch Alkohol, werden wir als ganzheitlich orientierter Mensch zunehmend reduziert auf den Konsumentenstatus und beschäftigen uns in Folge daraus immer mehr mit der Drogenzufuhr selbst.

 

Die Folgen der Verknüpfung von Drogenkonsum mit dem Belohnungssystem wirken fatal. Eine entwickelte Sucht wird ausschlaggebend für jegliches Agieren. Die Selbstkontrolle verliert an Bedeutung. Durch Zufuhr von Alkohol gefährden wir in besonderem Maße die „biochemische Gesundheit“. Alkohol ist in seinen Auswirkungen komplexer als alle anderen Drogen und wirkt zudem situativ und persönlichkeitsspezifisch.

 

Der derzeitige Forschungsansatz, das Suchtgedächtnis im Bereich es Alkoholismus als Instrument nutzbar zu machen, lässt natürlich neue Hoffnungen für Behandlungssysteme entstehen. Die bisher zur Verfügung stehenden Ergebnisse haben allerdings Spielraum für Spekulationen. Vom Grundsatz her geht die Forschung davon aus, dass das Suchtgedächtnis positive Entwicklungen der Betroffenen beschränkt oder unmöglich macht. Alkoholabhängigkeit entsteht primär aus einer passiv bzw. defensiv ausgerichteten Persönlichkeitsstruktur. Der Trinker weiß gar nicht, warum er trinkt. Trinkerpersönlichkeit und Konsumverhalten werden eine selbständige Verhaltenseinheit. Unbekannte Zielsetzungen des Konsums stellen Vermeidungs- und Verhinderungsstrategien in den Vordergrund. Belohnungseffekte basieren auf und entwickeln sich aus diesem Hintergrund. 

 

Den Vorgang, Gedächtnisleistungen als spätere Erinnerungen zu untergraben, beeinflusst der Kontrollverlusttrinker durch seinen Konsum. Kaum jemand, der so trinkt, erinnert sich an Rauschzustände. Das Rauscherlebnis steht nicht als bewusste oder unbewusste Trinkmotivation im Vordergrund. Ein Suchtgedächtnis verlangt nach Interpretation oder auch nach Inhalten. Für die meisten wird wohl die Geschmackserinnerung später übrig bleiben. Entwickelt der Säufer ein Stadium, in welchem er regelmäßig zwischen zwei und drei Promille konsumiert, kann er eine spätere Rückerinnerung erfolgreich außer Kraft setzen.  

 

Manifeste Konditionierungen können in Zukunft vielleicht durch bessere Strategien zur Dekonditionierung  aufgelöst werden.